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3. März 2005 · von Franziska Söllinger

"Quorr…quorr…quorr…psiwit" - der Frühling klopft an die Tür

Ist die Jagd auf die Waldschnepfe noch zu verantworten?

Unbestritten ist, dass Wissenslücken über Populationsgrösse und -entwicklung der Waldschnepfe in Europa bestehen.

Die Waldschnepfe kommt, so lautet die Ornithologenregel, wenn die Singdrossel verstummt: kurz vor Einbruch der Dunkelheit. Noch bevor man sie erblickt, ist das murrende "quorr... quorr...quorr" zu hören, eine Lautäusserung, die mit geschlossenem Schnabel durch Blähung und Entleerung der Luftsäcke an der Halsunterseite erzeugt wird. Dann taucht ihre Silhouette im Abendhimmel auf. Im langsamen, eulenartigen Flug zieht die Schnepfe über die Jungwaldfläche, wobei sie nebst dem Quorren auch kurze, fast wispernde "psiwit"-Rufe ausstösst. Und schon ist sie hinter den nächsten Baumwipfeln verschwunden.

"Schnepfenstrich" heisst die Flugbalz der Waldschnepfe (Scolopax rusticola), welche sie jeweils zwischen März und Juli vorführt. Es ist die einzige Gelegenheit, um die Art hören oder sehen zu können. Ausserhalb der Balzzeit sind die heimlich lebenden, dämmerungsaktiven Vögel praktisch unauffindbar. Darin liegt exakt das Problem beim Schutz und der jagdlichen Nutzung dieser Art: Man weiss noch wenig über die Situation der Waldschnepfe in Europa. Entsprechend umstritten ist die Frage, ob die Jagd auf sie noch zu verantworten ist.


Populationsschwerpunkt im Norden und Osten
Unklarheit herrscht schon beim geschätzten Bestand: Im gesamten europäischen Brutgebiet, das sich von Skandinavien bis ans Mittelmeer, vom Atlantik bis an den Ural erstreckt, leben 17 bis 38 Millionen Waldschnepfen. Die Schätzung basiert auf den Daten über die Besiedlungsdichte. Diese beträgt, bezogen auf die gesamte Waldfläche im europäischen Verbreitungsgebiet, zwischen 1,6 und 3,5 Individuen pro km2. Insgesamt ist die Waldschnepfe im europäischen Rahmen eine häufige Art. 90% der Population Europas brüten in Russland, Weissrussland und Skandinavien.

Die Waldschnepfe gehört zu den Zugvögeln. Das Überwinterungsgebiet befindet sich im Mittelmeerraum und in Nordafrika. Es ist gegen Süden begrenzt durch die Wüsten und Savannen Afrikas, wo es für die Art zu trocken ist, und gegen Norden durch die +2Grad-Isotherme der mittleren Januartemperaturen. In Grossbritannien, Frankreich, den Beneluxländern sowie im Osten, in den Balkanländern und der Region des Schwarzen und des Kaspischen Meers überlagern sich Brut- und Überwinterungsgebiet.

Nach Angaben des kürzlich publizierten "Atlas of European Breeding Birds", scheinen die Waldschnepfen-Populationen im Grossen und Ganzen seit den siebziger Jahren stabil zu sein. Grösseren Rückgängen in einigen Ländern – zum Beispiel in Grossbritannien und Deutschland – stehen Zunahmen und Arealerweiterungen in anderen Gebieten gegenüber.


Frankreich: Keine Hinweise auf einen Rückgang
Zu den wenigen Ländern, aus denen nähere Angaben über die Populationsentwicklung vorliegen, gehört Frankreich. Frankreich ist für die Waldschnepfe Brut-, Überwinterungs- und Durchzugsgebiet. Der Vogel ist bei französischen Jägern sehr beliebt, wobei in erster Linie durchziehende Vögel aus dem Norden Europas geschossen werden.

Die nationale Jagdbehörde Frankreichs hat schon in den siebziger Jahren Untersuchungen über die Waldschnepfe lanciert:
Der Bestand der Brutvögel wird jeweils durch die Zählung der Männchen während des Schnepfenstrichs an etwa tausend Orten im ganzen Land geschätzt. Die Ergebnisse zeigen stabile Verhältnisse in den letzten zehn Jahren.
Die letzte nationale Erhebung der Jagdstrecke liegt bereits 15 Jahre zurück. Neuere Daten existieren für die Bretagne, die Normandie und das Pays de la Loire, wo die meisten Schnepfen erlegt werden. In diesen Gebieten hat sich die Jagdstrecke in den letzten 10 Jahren kaum verändert.

Die französischen Untersuchungen sind bis anhin die einzigen geblieben, welche verlässliche Daten zur Entwicklung europäischer Waldschnepfen-Populationen über eine längere Zeitspanne liefern können.


Die Schnepfenjagd ist eine Zugvogeljagd

Jährlich werden z. B. in der Schweiz um die 1700 Waldschnepfen erlegt, davon zwei Drittel im Tessin und ein Drittel in den Kantonen der Westschweiz. Die Abschüsse der Schweizer Jäger haben einen minimalen Einfluss auf den Brutbestand. Denn geschossen werden praktisch ausschliesslich durchziehende Vögel und nur in Ausnahmefällen einheimische. Die Schnepfenjagd ist eine Zugvogeljagd. Sie muss daher im gesamteuropäischen Rahmen beurteilt werden – und da fällt die Jagdstrecke der Schweiz nicht ins Gewicht: Sie entspricht etwa einem halben Promille der gesamten Abschüsse in Europa.

Heimliche Lebensweise Waldschnepfen leben in ausgedehnten, stufig aufgebauten Wäldern, wo sie einerseits freien Flugraum finden, andererseits aber auch genügend Deckung in einer üppigen Kraut- und Strauchschicht haben. Kleinflächige Waldungen genügen diesen Anforderungen weniger. 80 Prozent der Schnepfennahrung sind Würmer. Auf feuchten Böden ist daher das Nahrungsangebot für Waldschnepfen am reichsten. Es ist für die Vögel mit ihrem hochspezialisierten, pinzettenartigen Sondierschnabel auch am besten zugänglich. Nachts gehen die Schnepfen auch gerne auf Wiesen und Weiden ausserhalb des Waldes auf Nahrungssuche. Das Weibchen legt seine Eier – meist sind es vier – in eine Bodenmulde. Das Nest mit der brütenden Schnepfe ist praktisch nie zu finden: Das braune Gefieder verschmilzt optisch vollkommen mit dem Waldboden. Nähert sich jemand, verharrt der brütende Vogel regungslos auf dem Gelege und fliegt manchmal erst bei Berührung auf. Die Brutzeit dauert 22 bis 23 Tage. Die Jungen sind echte Nestflüchter, die – kaum geschlüpft – selbständig auf Nahrungssuche gehen. In den ersten Tagen kann es vorkommen, dass das Muttertier bei Gefahr einen Jungvogel zwischen die Füsse klemmt und im Flug abtransportiert. Schon nach zehn Tagen ist das nicht mehr nötig. Die Jungen können dann bereits selber kurze Strecken fliegen. Schnepfenjagd in Europa Jährlich werden in ganz Europa 3 bis 4 Millionen Waldschnepfen bei der Jagd erlegt. In Österreich und in den osteuropäischen Ländern ist noch die Frühlingsjagd während des Schnepfenstrichs üblich. In den übrigen Ländern Europas beschränkt sich die Jagdzeit auf den Herbst, wenn die Vögel südwärts ziehen. Die Konvention zur Erhaltung der wandernden und wildlebenden Tiere (Bonner Konvention) führt die Waldschnepfe in Anhang II auf. Für wandernde Arten dieser Kategorie sind Abkommen zu schliessen, mit dem Ziel, deren Populationsstatus zu erhalten oder zu verbessern. Für die Waldschnepfe gibt es noch kein derartiges Abkommen. Fazit Es gibt keinen unmittelbaren Handlungsbedarf im Hinblick auf die Unterschutzstellung der Waldschnepfe in Europa.
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